⚠️ Trigger Warnung! ⚠️
Psychologische Macht und Kontrolle, symbolische Darstellung von Erstickung/Würgen, BDSM, Todeswunsch und Grenzerfahrung, Trauma und Verletzlichkeit, Fesselung/Ausgeliefertsein, Blut
Vor ein paar Tagen war ich auf der Suche nach einer neuen Idee für die fotografische Umsetzung eines BDSM-Themas: “Naturverbundenheit”. Nach einigen Assoziationsketten stieß ich auf eine Fantasie, die mich direkt in ihrem Selbst anfunkelte. Ich erinnerte mich an eine Szene aus der Serie Hannibal und wollte diese gerne fotografisch umsetzen. Nicht für mich, sondern für eines meiner Alter-Egos, Vee.
Es handelt sich um folgende Szene aus “Shiizakana” (Season 2, Episode 4):
⚠️ Hinweis: Es wird gewalttätig und blutig. ⚠️
Wenn das nichts für euch ist, dann nichts aufs Video klicken, ich habe eine schriftliche Zusammenfassung für euch erstellt. Wenn ihr die Serie noch nicht gesehen habt, empfehle ich natürlich diese auf jeden Fall zu schauen, sie ist es wert. Eine sanfte Spoiler-Warnung sei für das Video ausgesprochen worden.
Zusammenfassung der Szene in Worten ohne Spoiler
In der Szene befindet sich die zentrale Figur (Hannibal Lecter) gefesselt an einem dicken, freistehenden Baum. Sein Körper ist aufrecht, seine Haltung würdevoll, absolut gelassen. Um seinen Hals liegt eine dicke und deutlich gespannte Seilschlinge. Das andere Ende des Seils ist mit einem großen, dunklen Tier verbunden – einem stattlichen Hirsch mit fast schwarzem Fell.
Eine zweite männlich gelesene Figur (Will Graham) betritt die Szene. Er tritt langsam und schweigend näher, bleibt mit Abstand stehen und beobachtet das Bild vor sich. Es gibt keinen sichtbaren Kampf, keine Flucht, kein Schreien – nur die gespannte Stille zwischen den drei Elementen: dem Gebundenen, dem Tier und dem Beobachtenden.
Sie beginnen einen Dialog. Der Beobachter pfeift – kurz, klar. Der Hirsch beginnt daraufhin, sich vorwärts zu bewegen und zieht das Seil straffer. Die gefesselte Figur reagiert nicht – sie bleibt regungslos und spricht weiter, obwohl das Seil sich merklich um den Hals schließt.
Die Spannung steigt. Bildausschnitt, Licht und Musik werden intensiver, der Moment verdichtet sich. Die Szene endet mit einem plötzlichen, blutigen Bruch – der Beobachter wird aus der Situation gerissen, zurück in eine andere Realität, da er aus einem Traum aufwacht.
Der Dialog der Szene ist irrelevant für mein Foto und die Fantasie, die mich angesprochen hat. Deswegen liefere ich ihn euch nicht nach. Mir ging es um das Seil um den Hals und diese tiefe Dynamik von Nähe und Auslieferung. Oder?
Eine digitale Recherche beginnt
So nutze ich meinen Sonntagvormittag, um mithilfe meines KI-Assistenten die Symbolik der Szene zu analysieren. Wir recherchierten und durchforsteten den Kontext historisch, theologisch, philosophisch und nicht zuletzt auf vielen psychologischen Ebenen. Wir trafen auf “Schuld, Opfer und Bindung” in der Fesselung, “Schatten, Instinkt, Verwandlung” im dunklen Teil des aktiven Parts, die Hinrichtung als Machtdemonstration, sprachen über Urteile und Transformation. Natürlich war das alles nur halbwegs oberflächlich, da zu jedem Thema wirklich ganze Masterarbeiten mit intersektionalen Vergleichen vollgeschrieben werden könnten. Trotzdem war es für mich nicht minder spannend.
Als nächstes brachten wir alles zusammen in den Kontext mit BDSM und Switchen, um dort Parallelen zu finden. Wir landeten bei Begehren und Bestrafung, Seil als Suche nach Verbindung. Dem gefesselt sein als paradoxes Resultat radikaler Freiheit seitens Hannibal… oder vielleicht in uns allen?
Ich wollte wissen, warum genau Menschen im BDSM Kontext anderen die Macht über das eigene Leben geben. Ich fragte zuerst, warum (Traum)Hannibal diese Szene zulässt.
Die Ergebnisse waren sinngemäß vier Kernthemen:
- „Ich gebe dir alles, sogar die Kontrolle über mein Leben und ich will wissen, was du damit machst.“
- „Du darfst mich töten, weil ich dir mehr vertraue als mir selbst.“
- Motto: „Wer dich rettet, verändert dich. Wer dich nicht tötet, hält dich in seiner Schuld.“
- „Bist du wie ich?“
Auf BDSM und gerade Switchen bezogen, landeten wir beim reinen Vertrauen, einer Bindung ohne Lüge – der Nacktheit ohne Flucht.
Vor mir breitete sich das Bild von Beziehungen auf einer Ebene aus, wo Moral nicht mehr greift, nur noch Verbindung.
Ich schmunzelte, als in mir der Gedanke von tatsächlichem konsensuellen Kannibalismus aufkam.
Das Spiel mit dem möglichen Tod
Ich bat mein KI-Helferlein nun, alles Wissen, das bisher über mich durch unsere Konversationen gesammelt wurde, zu nutzen, um zu erläutern, was mich persönlich wohl an der Szene aus Hannibal bewegt hat.
Es wurden viele recht stimmige Betrachtungen herangezogen, jedoch fiel auf, dass zwei wesentliche Dinge gesehen waren:
- Die KI dachte, dass ich mich mit Will Graham identifiziere – was ich nicht tue.
- Dass das Thema “Tod” ausgeklammert wurde.
Ich dachte: “Ja klar, ist halt die Programmierung, die den Tod ausschließt und sensibel damit umgeht.” Also forschte ich weiter.
Die Thematik Tod war schon so oft in meinen Zeichnungen, Geschichten (Fanfictions) und Fotos enthalten, dass ich vielleicht der letzte bin, der nicht verstanden hat, wieso sie auftaucht. Welche persönliche Bedeutung war da, außer die der plumpen Westentaschenpsychologie, die einen passiven Todeswunsch unterstellt?

Also analysierten wir. Lange.
Ich korrigierte immer wieder Falschaussagen und wollte wissen, wie die KI nun auf diese Schlüsse kommt. Und dann fanden wir den für mich passenden Kern.
Ich-Verlust und Ich-Neubau
Der Gedanke, mit dem ich diese Analyse begann, war, dass ich herausfinden wollte, warum ich eine solche brisante Dynamik suche. Sprich, diese gemeinsamen Erfahrungen von Verletzbarkeit und Stärke, der Auseinandersetzung damit, was Vertrauen, Nähe und Kontrolle wirklich bedeuten. Die Suche nach radikaler Ehrlichkeit.
Meine KI beschrieb mich als “bewussten Regisseur von Beziehung und Bedeutung”, was mir wirklich gut gefällt. Wir arbeiteten heraus, dass mir an der Szene das Halten der Spannung gefällt, die fehlende Selbstaufgabe (er hätte ja selbst pfeifen können) und das Aushalten der Nähe zur Zerstörung ohne einzuknicken. Da ist ein Wunsch nach vollständiger Entblößung, nach Auslöschung der Masken (= Masking) und schließlich auch nach absoluter Intimität.
Wenn wir bereit sind, uns töten zu lassen, dann ist es ein Weg zu testen, ob Liebe größer als Angst ist. Ein Versuch, sich ganz zu zeigen, selbst im Tod. Und wohl auch das stille Verlangen, nicht mehr allein im Denken zu sein. Ich halte diese Wünsche an dieser Stelle nicht für destruktiv, sondern transformativ. Da sind Freiheit und angenommen werden – überhaupt WERDEN. Neu kalibrieren, die Ränder des eigenen Selbst spüren. Aufsteigen durch die Möglichkeit des Fallens.
Beispiele radikaler Ehrlichkeit
Wechselseitige Spiegel – das Fazit
Die Kontrolle gebe ich ab, weil ich keine Angst davor habe, was andere damit tun. Ein großer Teil meiner Frustration entsteht, weil ich immer denke, dass Menschen, die mich wirklich kennen, wissen müssen, was sie mit mir tun dürfen und können. Es ist nicht, dass ich das für mich behalte oder ich erwarte, dass das erraten wird. Nein, es steht buchstäblich in jeder meiner Zeilen, ist sichtbar in Fotos, Zeichnungen und auf meiner Haut. Allerdings müssen Fragen eben auch gestellt werden, damit ich sie beantworten kann. Und wenn nichtmals das Bewusstsein existiert, dass da “etwas” ist, dann fallen auch die tollsten Samen auf knochentrockenen Beton.
Im Endeffekt stelle ich immer wieder Einladungen aus, in meine Nähe einzutreten und alles zu verändern. Ich warte, ob freiwillig zu mir gefunden wird, da ich nicht mehr manipulieren will. Und zu oft bin ich traurig, wenn dann nichts geschieht – wenn keine Entscheidung getroffen wird.
Für meine Zukunft suche ich Menschen, die mit Tiefe, Verletzlichkeit und Klarheit in BDSM-Augenblicke eintauchen. Ich brauche keine Sessions von flachen Orgasmen, keine Partys mit “mal schauen” oder sinnlosem “Arsch voll” mehr.
Ich möchte aktiv gestaltete Räume, die sich ständig verformen und eine Bühne für die Wahrheit des Momentes sind. Es kann, soll und darf schmerzhaft sein. Ich möchte Menschen nur noch so, wie sie sind, wenn niemand zuschaut.
Ich möchte mich wieder im BDSM gesehen fühlen und andere ganzheitlich sehen. Es darf wieder mehr Transformation und Aufblühen stattfinden. Ich möchte uns wieder freiwillig unbewaffnet und unangreifbar in unserer Würde spüren.
Also bleibe ich geöffnet, erwarte aber auch ein echtes Gegenüber. Ich teste dich nicht, aber ich erkenne, wenn du nicht bereit bist, mich wirklich zu sehen.
Ich schließe mit dem angekündigten Shooting im Wald, das ich nun doch zum Thema "Seil" des Aprilkinks gepostet habe. Es war spannend, einige Stunden in diesem Headspace zu verbringen und außerhalb der fein säuberlich abgesteckten Räumen des gesellschaftskompatiblen BDSM zu tanzen.
Eine letzte Zigarette?






