Edelstahl und Alteisen
Ich glaube es war im November 2013, als ich mich zum ersten Mal entschied, mich piercen zu lassen. Es sollte ein KVV (Klitoris Vorhaut Vertikal) Piercing werden.
Damals wollte ich testen, ob die Dysphorie weniger werden würde, da Piercings ja wirklich hübsch sind. Ein trauriger Gedanke, nicht? Als ob (m)ein Körper nur mit Schmuck schön sein könnte.
Als müsste er erträglicher gemacht werden. Auf der einen Seite finde ich Operationen wirklich sinnvoll, um den Körper den eigenen Bedürfnissen anzugleichen. Ganz egal, ob es nun für trans Menschen ist oder doch “nur” der ungeliebte Huckel auf der Nase. Wir alle sollten uns wohl fühlen dürfen. Auf der anderen Seite ist es auch irgendwo traurig, dass wir nicht einfach “sein” können.
Es funktionierte für mich und machte die Tür auf in eine neue Zeit der Körperlichkeit. Es öffnete sich aber auch eine kleine Sucht, denn es folgte in den nächsten Jahren ein Piercing nach dem anderen 😉
Heute, also knapp 10 Jahre später, habe ich dieses erste Piercing entfernt. Es war damit auch das letzte Piercing, das meinen Körper noch geschmückt hat. Die kleinen Metallteilchen haben lange einen guten Zweck erfüllt und doch hat sich jedes ein Stück weit fremd angefühlt. Sie haben mich verletzbar gemacht – anfällig, wo ich mich doch für relativ unverwundbar hielt.
An der Brust gaben sie mir unwillkürlich das Gefühl, mich schützen zu müssen. Im Intimbereich machten sie ständig zwickende Gefühle, wenn die Haare zu lang wurden. Das Helix ist nie verheilt. Das Triangel kostete mich buchstäblich Nerven und so habe ich heute einen tauben linken Quadrant oberhalb meiner Klit …
Aber die Piercings waren auch noch etwas anderes: Ein Symbol aus meinem vergangenen (?) Leben. Das Zeichen einer Zeit, die ich schmerzlich vermisse, aber nicht zurückbekomme, ganz egal wie sehr ich es mir auch wünsche. Diese Zeit der Zugehörigkeit und des Fallenlassens. Dort, wo ich alles einfach habe geschehen lassen. Eine Zeit, in der ich mein Leben in fremde Hände gab. Alles war wunderbar und richtig wie es geschah, so aufregend und bewegend. Deswegen vermisse ich es sicher auch so.
Mein Körper ist nun anders – irgendwie reifer, fühliger und unbeständig. Bedürfnisse kann ich besser wahrnehmen und vorbringen als früher. Und doch erregen mich nur die wenigsten Dinge. So ganz herausgefunden, wie ich meine Situation verbessern kann, habe ich noch nicht.
Ich tue wirklich mein Bestes nicht der Verbitterung oder Verzweiflung zu verfallen. Doch ihr kennt es: Das Online-Dating ist eine Qual. Ein bisschen fühle ich mich, als hätte ich ein großes Glück am Anfang meiner 20er gehabt und kann dies nicht mehr herstellen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Irgendwo wird er sein – dieser Mensch, der mir wieder diese Welt ermöglicht. Auch wenn sie dann wesentlich anders sein wird, ob der weiten Reisen, die meine Füße zurückgelegt haben.