Diese zwei Aussagen lese ich sehr oft im Netz:
Trans frauen sind Frauen
Trans männer sind Männer
sowie
Trans frauen sind Trans frauen
Trans männer sind Trans männer
Beide Aussagen meinen es im Kern gut. Ich werde im folgenden verschiedene Perspektiven aufzeigen und Gedankenstränge verfolgen. Einige sind meine, andere sind von mir bekannten Personen inspiriert.
Ich setze hier Wissen über den Begriff Cisgender voraus, sowie einiges Basiswissen über Trans*Identitäten / Transgender. Ich habe einige Links bei Fachbegriffen verteilt, die vielleicht unklar sind.
Der Versuch einer Gleichstellung
Bei “Trans Frauen sind Frauen & trans Männer sind Männer” geht es darum, dass es vermieden werden soll, trans Personen von cis Personen zu unterscheiden. Es soll klarmachen, dass jede trans Person “echt” ist und nicht anders behandelt werden darf als eine cis Person – wir sind alle gleich.
Ebenfalls wird indirekt gefordert, die eigene Wahrnehmung anzugleichen oder zu ändern. Also wird der Betrachter aufgefordert respektvoll zu sein, egal ob Operationen, Hormone und Kleidung genutzt werden/wurden, um dem gefühlten Geschlecht zu entsprechen. Jede Person, die sich trans* fühlt ist zu behandeln wie jede cis Person.
Die Aussage gibt Hinweise darauf, dass trans Personen sehr oft entwertet werden, indem bewusst das falsche Geschlecht oder die falsche Anrede genutzt wird. Somit behandelt der Satz auch das Thema wertvoll als Person zu sein.
Ziemlich viel Gutes in einer Aussage, was?
Und doch raubt uns dieser Satz ein Stück unserer Identität. Es kann uns stumm machen darüber zu sprechen, warum wir uns nicht genau in der derzeitigen Definition von Mann oder Frau wiederfinden. Wie eine Art unsichtbares Verbot über uns selbst zu sprechen und dass es vielleicht doch Unterschiede zu cis Menschen gibt – egal welcher Art die nun sind. Auch aus der Angst heraus wieder nicht “echt” zu sein.
Es zwingt uns einem Bild einer cis Person entsprechen zu müssen. Vielleicht fangen wir an unser eigenes Verhalten zu verändern, nur um diesem Bild zu entsprechen.
Der Vergleich mit “I see no color”, ist vielleicht nicht zu weit hergeholt. Auch hier geht es um eine Gleichmachung, die Leiden, Probleme, Diskriminierung und Erlebnisse einer Person weggleiten lässt. Es ist falsch Personen nicht komplett wahrzunehmen und sie der eigenen, besonderen Identität zu berauben.
Eine kleine Anekdote aus meiner Zeit der persönlichen Labelsuche
Mit 26 saß ich einem Personal Coach gegenüber.
Zu dieser Zeit war mein Aussehen im Punkto Gesicht und Frisur sehr maskulin, der Kleidungsstil eher wechselnd. Er sagte mir, ich müsse mich bloß entscheiden: Ich sei eben einfach ein Mann, der gerne Frauenkleidung trägt.
Das radierte meine Gefühle herunter auf ein sehr simples Menschenbild:
Es gibt Frauen und Männer. Und da drin gibt es eben Menschen, die Kleidung des anderen Geschlechts mögen.
Tja, aber ich bin doch trans Mann? Wenn wir Geschlechter dadurch definieren, welche Kleidung getragen wird und welche Charaktereigenschaften wir haben, was bin ich denn dann?
Ich fühlte mich sehr vor den Kopf gestoßen. Er dachte wohl, ich wäre ein Mann, der gerne eine Frau wäre. Tja – nein, so simpel ist es nicht. Und wow, wäre das Leben einfach wenn ich “nur” ein pansexueller Damenwäscheträger wäre.
Offene Identität
Der Satz “trans Frauen sind trans Frauen & trans Männer sind trans Männer ” zielt darauf ab, zu validieren, dass trans Personen existieren und alles Recht dafür besitzen. Es sagt, dass ein Vergleich mit cis Personen nicht notwendig ist und keinem Klischee entsprochen werden muss, um valide zu sein.
Auch möchte diese Aussage vermitteln, dass weniger Regeln gibt, die eingehalten werden müssen – denn, was bitte ist ein trans Mann oder eine trans Frau? Wer gibt hier die Definition vor? Es ist an sich ein weiter gefasstes Konzept, als ein direkter Vergleich mit cis Personen.
Klingt doch gut oder? Besser auf jeden Fall.
In einer weitläufigen Interpretiation zwingt diese Aussage allerdings dazu einzugestehen niemals dem Cis-Bild entsprechen zu können. Sie kann also auch genau das Gegenteil bewirken, von dem was sie aussagen möchte. Gefühle von Abwertung können aufkommen.
Das Satement kann auch voraussetzen, dass es okay ist sichtbar als trans Person zu sein. Ganz offen über die eigene Transition zu sein und sich zu bekennen. Aber für viele ist es das nicht. Dieses Outing steht keinem Außenstehenden zu. Viele trans Menschen leben freiwillig oder gezwungen in Stealth, also unsichtbar. Für viele ist es ein absoluter Wunsch ein Passing zu erreichen. Jede “Enttarnung” fühlt sich grauenvoll an. Es ist ein gezwungenes “steh zu deinen Wurzeln”.
Aber was, wenn ich das nicht möchte? Wenn ich mich mit dem Wort “trans*” gar nicht identifiziere, weil ich mich eben “cis” fühle? Nur halt die Anatomie das anders sieht? Ist dann diese Aussage “not for me” und ich muss weghören?
Eine kleine Anekdote aus meiner trans mann Vergangenheit
Mit 18 war ich überzeugter trans Mann. Es war mir wichtig nicht mit dem falschen Pronomen angesprochen zu werden und als Mann wahrgenommen zu werden. Ich habe nicht offen kommuniziert, dass ich trans bin und mich auch nicht trans gefühlt. Zu eingeweihten Personen in meinem Umfeld habe ich aber selten klare Regeln kommuniziert wie über mich gesprochen werden soll, außer eben männliche Pronomen. Ich habe sehr viel gesunden Menschenverstand vorausgesetzt.
Nun kam eine Bekannte auf die Idee, allen Menschen auf ihrer Hochzeit davon zu erzählen, dass ich trans sei. Sie hat mich für meine Tapferkeit unglaublich gelobt und gefeiert. Für sie war das ein unglaublich toller Fakt.
Ich fühlte mich unglaublich bloßgestellt und erniedrigt. Ich wollte fliehen. Es sollte meine Sache sein, wem ich etwas erzähle. Ganz besonders etwas dermaßen intimes.
So gleich und doch so anders
Uff, schwere Themen. Schauen wir genauer hin.
Beide Aussagen begehen einen gemeinsamen Fehler: Generalisierung.
Menschen haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Eigenschaften. Es braucht viel Empathie, um sich alle Perspektiven vorzustellen und darin einzufühlen. Es gibt nicht DIE EINE trans Person und nicht DIE EINE cis Person. Kategorien und Label zu generieren hilft im eigenen Kopf Ordnung zu schaffen und sich selbst benennen zu können. Es ist unglaublich persönlich und voller Nuancen.
Daraus jedoch eine allgemeingültige Aussage zu erfinden tut nichts, als uns wieder gegenseitig einordnen zu wollen, unser Verhalten vorauszusagen und es dem Gegenüber leicht zu machen. Andere Menschen gewinnen dadurch Sicherheit und eine Anleitung wie sich zu verhalten ist.
Dabei sollen hochkomplizierte Konzepte und Gefühle in kurze prägnante Worte gefasst werden. Sie sollen knackig auf ein Plakat passen und einprägsam sein. Bereit für die nächste Debatte.
Doch Identitäten lassen sich nicht diskutieren, bzw. sollten sie nicht diskutiert werden. Nur Politik und Rechte sind Diskussionsstoff. Identitäten sollten genauso einfach hingenommen werden, wie das soziale Konstrukt davon was (derzeit) ein Mann oder eine Frau sein möge.
Aber was sage ich nun wenn ich meine Unterstützung zeigen will?
Sätze wie “Support trans people” oder “Transrights are human rights” gefallen mir persönlich besser. Diese haben gemeinsam, dass sie weggehen von der Idee, die eigene Identität verteidigen und rechtfertigen zu müssen. Sie sind politisch und allumfassend. Sie wollen Missstände ändern, auf der Basis von Gesetzen.
Wenn wir das System von Einordnung auflockern und jeden Mensch einfach nur “sein” lassen würden, gäbe es diese Problematik nicht. Dann bräuchten wir keine Sätze, die klarmachen, dass trans Personen auf irgendeine Weise Wert besitzen und gleich sind. Auch wenn das in uns drin vielleicht eines der tiefsten Bedürfnisse ist.