You are currently viewing Validierung von Trans*Identitäten
2020

Validierung von Trans*Identitäten

Diese zwei Aussagen lese ich sehr oft im Netz: 

Trans frauen sind Frauen
Trans männer sind Männer

sowie

Trans frauen sind Trans frauen 
Trans männer sind Trans männer 

Beide Aussagen meinen es im Kern gut. Ich werde im folgenden verschiedene Perspek­tiven aufzeigen und Gedan­ken­stränge verfolgen. Einige sind meine, andere sind von mir bekannten Personen inspiriert. 

Ich setze hier Wissen über den Begriff Cisgender voraus, sowie einiges Basis­wissen über Trans*Identitäten / Trans­gender. Ich habe einige Links bei Fachbe­griffen verteilt, die vielleicht unklar sind.

Der Versuch einer Gleichstellung

Bei Trans Frauen sind Frauen & trans Männer sind Männer” geht es darum, dass es vermieden werden soll, trans Personen von cis Personen zu unter­scheiden. Es soll klarmachen, dass jede trans Person echt” ist und nicht anders behandelt werden darf als eine cis Person – wir sind alle gleich.

Ebenfalls wird indirekt gefordert, die eigene Wahrnehmung anzugleichen oder zu ändern. Also wird der Betrachter aufge­fordert respektvoll zu sein, egal ob Opera­tionen, Hormone und Kleidung genutzt werden/wurden, um dem gefühlten Geschlecht zu entsprechen. Jede Person, die sich trans* fühlt ist zu behandeln wie jede cis Person.

Die Aussage gibt Hinweise darauf, dass trans Personen sehr oft entwertet werden, indem bewusst das falsche Geschlecht oder die falsche Anrede genutzt wird. Somit behandelt der Satz auch das Thema wertvoll als Person zu sein.

Ziemlich viel Gutes in einer Aussage, was?

Und doch raubt uns dieser Satz ein Stück unserer Identität. Es kann uns stumm machen darüber zu sprechen, warum wir uns nicht genau in der derzei­tigen Definition von Mann oder Frau wieder­finden. Wie eine Art unsicht­bares Verbot über uns selbst zu sprechen und dass es vielleicht doch Unter­schiede zu cis Menschen gibt – egal welcher Art die nun sind. Auch aus der Angst heraus wieder nicht echt” zu sein.

Es zwingt uns einem Bild einer cis Person entsprechen zu müssen. Vielleicht fangen wir an unser eigenes Verhalten zu verändern, nur um diesem Bild zu entsprechen.

Der Vergleich mit I see no color”, ist vielleicht nicht zu weit hergeholt. Auch hier geht es um eine Gleich­ma­chung, die Leiden, Probleme, Diskri­mi­nierung und Erleb­nisse einer Person weggleiten lässt. Es ist falsch Personen nicht komplett wahrzu­nehmen und sie der eigenen, beson­deren Identität zu berauben.

Eine kleine Anekdote aus meiner Zeit der persön­lichen Labelsuche

Mit 26 saß ich einem Personal Coach gegenüber.

Zu dieser Zeit war mein Aussehen im Punkto Gesicht und Frisur sehr maskulin, der Kleidungsstil eher wechselnd. Er sagte mir, ich müsse mich bloß entscheiden: Ich sei eben einfach ein Mann, der gerne Frauen­kleidung trägt.

Das radierte meine Gefühle herunter auf ein sehr simples Menschenbild:

Es gibt Frauen und Männer. Und da drin gibt es eben Menschen, die Kleidung des anderen Geschlechts mögen. 

Tja, aber ich bin doch trans Mann? Wenn wir Geschlechter dadurch definieren, welche Kleidung getragen wird und welche Charak­ter­ei­gen­schaften wir haben, was bin ich denn dann?

Ich fühlte mich sehr vor den Kopf gestoßen. Er dachte wohl, ich wäre ein Mann, der gerne eine Frau wäre. Tja – nein, so simpel ist es nicht. Und wow, wäre das Leben einfach wenn ich nur” ein panse­xu­eller Damen­wä­sche­träger wäre.

Offene Identität

Der Satz trans Frauen sind trans Frauen & trans Männer sind trans Männer ” zielt darauf ab, zu validieren, dass trans Personen existieren und alles Recht dafür besitzen. Es sagt, dass ein Vergleich mit cis Personen nicht notwendig ist und keinem Klischee entsprochen werden muss, um valide zu sein.

Auch möchte diese Aussage vermitteln, dass weniger Regeln gibt, die einge­halten werden müssen – denn, was bitte ist ein trans Mann oder eine trans Frau? Wer gibt hier die Definition vor? Es ist an sich ein weiter gefasstes Konzept, als ein direkter Vergleich mit cis Personen. 

Klingt doch gut oder? Besser auf jeden Fall.

In einer weitläu­figen Inter­pre­tiation zwingt diese Aussage aller­dings dazu einzu­ge­stehen niemals dem Cis-Bild entsprechen zu können. Sie kann also auch genau das Gegenteil bewirken, von dem was sie aussagen möchte. Gefühle von Abwertung können aufkommen.

Das Satement kann auch voraus­setzen, dass es okay ist sichtbar als trans Person zu sein. Ganz offen über die eigene Transition zu sein und sich zu bekennen. Aber für viele ist es das nicht. Dieses Outing steht keinem Außen­ste­henden zu. Viele trans Menschen leben freiwillig oder gezwungen in Stealth, also unsichtbar. Für viele ist es ein absoluter Wunsch ein Passing zu erreichen. Jede Enttarnung” fühlt sich grauenvoll an. Es ist ein gezwun­genes steh zu deinen Wurzeln”.

Aber was, wenn ich das nicht möchte? Wenn ich mich mit dem Wort trans*” gar nicht identi­fi­ziere, weil ich mich eben cis” fühle? Nur halt die Anatomie das anders sieht? Ist dann diese Aussage not for me” und ich muss weghören?

Eine kleine Anekdote aus meiner trans mann Vergangenheit 

Mit 18 war ich überzeugter trans Mann. Es war mir wichtig nicht mit dem falschen Pronomen angesprochen zu werden und als Mann wahrge­nommen zu werden. Ich habe nicht offen kommu­ni­ziert, dass ich trans bin und mich auch nicht trans gefühlt. Zu einge­weihten Personen in meinem Umfeld habe ich aber selten klare Regeln kommu­ni­ziert wie über mich gesprochen werden soll, außer eben männliche Pronomen. Ich habe sehr viel gesunden Menschen­ver­stand vorausgesetzt.

Nun kam eine Bekannte auf die Idee, allen Menschen auf ihrer Hochzeit davon zu erzählen, dass ich trans sei. Sie hat mich für meine Tapferkeit unglaublich gelobt und gefeiert. Für sie war das ein unglaublich toller Fakt.

Ich fühlte mich unglaublich bloßge­stellt und erniedrigt. Ich wollte fliehen. Es sollte meine Sache sein, wem ich etwas erzähle. Ganz besonders etwas dermaßen intimes. 

So gleich und doch so anders

Uff, schwere Themen. Schauen wir genauer hin.

Beide Aussagen begehen einen gemein­samen Fehler: Generalisierung.

Menschen haben ganz unter­schied­liche Bedürf­nisse und Eigen­schaften. Es braucht viel Empathie, um sich alle Perspek­tiven vorzu­stellen und darin einzu­fühlen. Es gibt nicht DIE EINE trans Person und nicht DIE EINE cis Person. Kategorien und Label zu generieren hilft im eigenen Kopf Ordnung zu schaffen und sich selbst benennen zu können. Es ist unglaublich persönlich und voller Nuancen.

Daraus jedoch eine allge­mein­gültige Aussage zu erfinden tut nichts, als uns wieder gegen­seitig einordnen zu wollen, unser Verhalten voraus­zu­sagen und es dem Gegenüber leicht zu machen. Andere Menschen gewinnen dadurch Sicherheit und eine Anleitung wie sich zu verhalten ist.

Dabei sollen hochkom­pli­zierte Konzepte und Gefühle in kurze prägnante Worte gefasst werden. Sie sollen knackig auf ein Plakat passen und einprägsam sein. Bereit für die nächste Debatte.

Doch Identi­täten lassen sich nicht disku­tieren, bzw. sollten sie nicht disku­tiert werden. Nur Politik und Rechte sind Diskus­si­ons­stoff. Identi­täten sollten genauso einfach hinge­nommen werden, wie das soziale Konstrukt davon was (derzeit) ein Mann oder eine Frau sein möge.

Aber was sage ich nun wenn ich meine Unter­stützung zeigen will?

Sätze wie Support trans people” oder Trans­rights are human rights” gefallen mir persönlich besser. Diese haben gemeinsam, dass sie weggehen von der Idee, die eigene Identität vertei­digen und recht­fer­tigen zu müssen. Sie sind politisch und allum­fassend. Sie wollen Missstände ändern, auf der Basis von Gesetzen.

Wenn wir das System von Einordnung auflo­ckern und jeden Mensch einfach nur sein” lassen würden, gäbe es diese Proble­matik nicht. Dann bräuchten wir keine Sätze, die klarmachen, dass trans Personen auf irgendeine Weise Wert besitzen und gleich sind. Auch wenn das in uns drin vielleicht eines der tiefsten Bedürf­nisse ist.

 

Auch wenn es sich unbequem anfühlt:

Wir sind nicht alle gleich. Wir brauchen gleiche Rechte. 
Und irgendwann sind wir frei in unserer eigenen Besonderheit.